Pyrrolizidinalkaloide in pflanzlichen Arzneimitteln: Risikobewertung und -minimierung

31.08.2016 | Silvia Deckena
Deckena

Silvia Deckena
Senior Consultant

Die Arzneimitelbehörden fordern die Inverkehrbringer von pflanzlichen Arzneimitteln in Europa derzeit auf, Risikobewertungen und Maßnahmen zur Risikominimierung in Bezug auf Pyrrolizidinalkaloide (PA) beizubringen. Wir setzen die Anforderungen für zahlreiche pflanzliche Arzneimittel in ganz Europa um. Die EU-Staaten gehen dabei leicht unterschiedliche Wege.

[Update vom 27.09.2016] Der englischsprachige "Code of practice to prevent and reduce pyrrolizidine alkaloid contaminations of medicinal products of plant origin", den die Industrieverbände BAH und BPI gemeinsam erarbeitet haben, ist jetzt über das Journal of Applied Research on Medicinal and Aromatic Plants (JARMAP) verfügbar. Die deutsche Fassung "Code of Practice zur Vermeidung und Verringerung von Kontaminationen pflanzlicher Arzneimittel mit Pyrrolizidinalkaloiden" (kostenpflichtig) ist bereits in der pharmind 2016, Nr. 6, Seite 836 erschienen. [Update]

Pyrrolizidinalkaloide werden von einigen Pflanzengattungen als Abwehrstoffe gegen Fressfeinde produziert. Die Stoffgruppe umfasst etwa 600 verschiedenen Verbindungen, von denen eine bestimmte Untergruppe, die 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloide (PA), potenziell (leber-)toxische Wirkungen haben können. Ihre Aufnahme sollte daher minimiert werden. PA sind bis auf wenige Ausnahmen, etwa Beinwell (Symphytum), nicht in den Arzneipflanzen selbst enthalten, sondern werden über Beikräuter in die Ernte eingetragen.

Erlaubte PA-Gehalte

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat in einem Public Statement vom 31. Mai 2016 (EMA/HMPC/328782/2016) festgestellt: „In principle, contamination of herbal substances with PA containing weeds should not occur at all for reasons of requirements on pharmaceutical product quality and compliance with GACP/GMP“. Gleichwohl bestünden für Arzneimittel mit einem Gehalt an 1,2-ungesättigten Pyrrolizidinalkaloiden bis 0,35 µg in der Tagesdosis für Personen mit einem Körpergewicht von 50 kg bei lebenslanger Exposition nur geringe Sicherheitsbedenken. Für einen Übergangszeitraum von drei Jahren sieht die EMA eine maximale Aufnahme von 1,0 µg PA pro Tag über pflanzliche Arzneimittel als akzeptabel an. In diesem Übergangszeitraum sollen Arzneimittelhersteller die PA-Gehalte jedoch auf maximal 0,35 µg bezogen auf die jeweilige Tagesdosis reduzieren.

Auch Lebensmittel wie etwa Honig und Kräutertees können PA enthalten. Für diese gelten derzeit keine gesetzlichen Grenzwerte.

Die zuverlässige Bestimmung von PA-Gehalten unterhalb von 1000 µg/kg ist überhaupt erst in den letzten Jahren und durch moderne Analyseverfahren wie gekoppelte Liquid-Chromatographie-Massenspektometrie/Massenspektometrie (SPE-LC-MS/MS) zuverlässig möglich geworden.

Risikobewertung für pflanzliche Arzneimittel

Bereits im Frühjahr 2016 haben erste nationale Arzneimittelbehörden, darunter das BfArM (Deutschland), die AGES (Österreich) und die MHRA (Großbritannien), Registrierungs- und Zulassungsinhaber darauf hingewiesen, dass Arzneimittel mit pflanzlichen Zutaten einer Risikobetrachtung der PA-Belastung bedürfen und dass die maximale Belastung bei 1,0 µg PA bezogen auf die Tagesdosis des Arzneimittels liegen darf – und mittelfristig weiter zu reduzieren ist.

Das BfArM behält sich vor, in anhängigen Verfahren zu prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen den Vorgaben entsprechen. Bei Nicht-Vorlage einer entsprechenden Freigabeprüfung auf PA teilt das BfArM mit, dass ohne Prüfung auf Pyrrolizidinalkaloide eine Chargenfreigabe nicht möglich ist. Für Registrierungs- und Zulassungsinhaber pflanzlicher Arzneimittel und Homöopathika besteht daher akuter Handlungsbedarf.

Diapharm betreut aktuell pflanzliche Zulassungen und Registrierungen in über 20 Staaten der EU. Welche Anforderungen die nationalen Zulassungsbehörden zum Thema PA stellen, unterscheidet sich aktuell noch von Land zu Land. Während beispielsweise das deutsche BfArM für alle pflanzlichen Arzneimittel Daten zu den PA einfordert, verlangt das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen in Österreich (AGES) eine Bestimmung der PA-Gehalte im ersten Schritt nur für Arzneimittel, die eine von zehn Arzneipflanzen beziehungsweise deren Zubereitung(en) enthalten, darunter Johanniskraut (Hyperici herba), Melisse (Melissae folium) und Löwenzahnkraut mit Wurzel (Taraxaci herba cum radice).

Für die Methode zur Bestimmung der PA-Gehalte ist noch kein europaweiter Standard etabliert: Langfristig soll eine Methode zur PA-Bestimmung in das Europäische Arzneibuch aufgenommen werden, aktuell ist dies aber noch nicht der Fall. Gemäß Empfehlung des HMPCs sollten in der Analytik mindestens 28 toxische PAs quantifiziert werden. Eingesetzt wird dafür häufig die vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung entwickelte SPE-LC-MS/MS-Methode (BfR-PA-Tea-2.0/2014). 

Die EMA hat in ihrem Public Statement Risikokategorien für PA definiert. Je nach Einstufung des Arzneimittels in eine dieser Kategorien kann eine Routineprüfung jeder Charge erforderlich sein (Risikokategorie C: 1,0 µg bis über >0,35 µg PA bezogen auf die Tagesdosis bzw. keine Daten vorliegend) oder eine stichprobenartige Prüfung einzelner Chargen als ausreichend angesehen werden (Risikokategorie A: ≤0,1 µg PA bezogen auf die Tagesdosis).

Um die für Arzneimittel geforderte mittelfristige Verringerung der PA-Gehalte insbesondere für jene Arzneimittel zu realisieren, die derzeit in die Risikokategorie C fallen (1,0 µg bis über >0,35 µg), werden weitere Anstrengungen notwendig sein – unter anderem hinsichtlich Saatgutauswahl, Unkrautmanagement und Erntetechniken. Die von der EMA vorgesehene Übergangsfrist von drei Jahren ist also durchaus ambitioniert.

Anforderungen fallbezogen umsetzen

Um die Zulassung bzw. Registrierung zu erhalten, muss die Herstellung jedes pflanzlichen Arzneimittels akut einer individuellen Risikobewertung in Bezug auf PA unterzogen werden. Diese wird sich auch in den Zulassungsunterlagen – etwa in der Freigabespezifikation – widerspiegeln. Da die Anforderungen der EU-Staaten (noch) nicht vollständig harmonisiert sind, sind individuelle und auf das jeweilige Risikopotenzial angepasste Lösungen erforderlich.

Wir beraten Sie gerne bei der individuellen Bestimmung und Minimierung von Pyrrolizidinalkaloid-Risiken für Ihre pflanzlichen Arzneimittel – und können Sie mit Know-how aus der Betreuung pflanzlicher Zulassungen und Registrierungen in weit über 20 EU-Staaten unterstützen. Sprechen Sie uns an!

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