Pflanzen und deren Zubereitungen: Borderline-Produkte?

Dorothee Klöpf
Euroforum Newsletter Nahrungsergänzungsmittel, 2012, S. 15-18
Zur langfristigen Absicherung von legal gefestigten Gesundheitsprodukten mit geeigneten Produktaussagen und tragfähigen ökonomischen Rahmenbedingungen bedarf es eines Paradigmenwechsels in der Gesetzgebung. Es muss ein geeigneter gesetzlicher Rahmen für die Verwendung von Botanicals in Lebensmitteln geschaffen werden. Zugleich muss eine klare Abgrenzung von den OTC-Arzneimitteln möglich sein. Beleuchtet werden sollen im Folgenden insbesondere Gesundheitsprodukte mit pflanzlichen Inhaltsstoffen.

Für den Verbraucher und für das gesetzliche Versorgungssystem haben Arzneimittel zur Selbstmedikation (OTC-Produkte) eine große Bedeutung. OTC-Produkte ermöglichen den Patienten direkte, schnelle und effektive Abhilfe akuter oder auch chronischer Krankheitszustände. Sie stellen geeignete Hilfsmittel zur Krankheitsprophylaxe im Alltag dar oder sie dienen der Gesunderhaltung.

In der Selbstmedikation ist der Patient gleichzeitig Verbraucher. Er trifft seine Produktwahl frei und selbstverantwortlich und kann dabei entsprechend beeinflusst werden durch Werbeaussagen (Claims). Selbstverständlich trägt er auch selbst die vollen Kosten seiner „Medikation“.

Das Feld der Gesundheitsmittel ist in den vergangenen 10 bis 20 Jahren stark erweitert worden. Hier finden sich OTC-Arzneimittel, arzneimittelähnliche Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, Ergänzende Bilanzierte Diäten und Kosmetika. Auch die Möglichkeiten der Distribution haben sich in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Neben der Apotheke erfolgt der Vertrieb über Drogerien, Lebensmitteleinzelhandel, Discounter, Versand- und Internethandel.

Um unter diesen Rahmenbedingungen langfristig ökonomisch erfolgreich sein zu können, müssen Produkte im Gesundheitsmittelportfolio über eine mittel- bis langfristig gesicherte Verkehrsfähigkeit mit einem zielführenden Claim resp. einer Indikation in der spezifischen Produktkategorie verfügen. Im gegenwärtigen Umfeld werden OTC-Arzneimittel jedoch durch immer schwächere Produktindikationen trivialisiert, während die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere, wenn sie pflanzliche Inhaltsstoffe enthalten, mit einer starken Rechtsunsicherheit verbunden ist.

OTC-Arzneimittel

Over The Counter-Arzneimittel sind Arzneimittel zum Zwecke der Selbstmedikation. Sie enthalten etablierte Wirkstoffe, haben sich über viele Jahre der Vermarktung in der Praxis als sicher und unbedenklich herausgestellt und sind somit aus Sicht des Gesetzgebers nachweislich geeignet für eine Abgabe ohne ärztliche Verordnung. Gesichert durch ihren Status als Arzneimittel weisen die Produkte hohe Unbedenklichkeits- sowie Qualitätsstandards auf.

Aus regulatorischer Sicht existiert im Rahmen des Arzneimittelzulassungsverfahrens, egal ob national oder EU-weit, kein Unterschied zwischen OTC- und (verschreibungspflichtigen) Rx-Arzneimitteln hinsichtlich der Anforderungen an Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität. Im Rahmen von Zulassungsverfahren für OTC-Arzneimittel gemäß Richtlinie 2001/83/EG muss der gleiche Unterlagenstandard in Bezug auf klinische Daten erfüllt werden wie für verschreibungspflichtige Produkte. Erleichterungen gibt es lediglich für Produkte mit einem „well established use“ und auch für traditionelle pflanzliche Arzneimittel.

Diese hoch angesetzten Rahmenbedingungen und somit der erschwerte Marktzugang für OTC-Arzneimittel wirken sich hinderlich auf die Entwicklung neuer OTC-Produkte aus und stellen große Hürden bei der Führung und Aufrechterhaltung starker etablierter OTC-Marken dar.

Als Folge dieser hohen Anforderungen hat in den vergangenen Jahren eine Abwanderung in andere Produktkategorien stattgefunden. Dabei haben Faktoren wie ein schnellerer Marktzugang bei vergleichbar aussagekräftigen Claims eine wichtige Rolle gespielt. Für den Verbraucher ist diese Entwicklung nicht immer augenscheinlich. Nur dem Fachmann fällt auf, dass aus dem apothekenpflichtigen Arzneimittel z.B. ein Nahrungsergänzungsmittel geworden ist und Produktausrichtungen nicht mehr auf die Heilung von Krankheiten bezogen sind, sondern auf die „Unterstützung der normalen Funktion des Körpers“ und auf die Gesunderhaltung.

Vor etwa einem Jahrzehnt haben die Europäische Kommission und der Rat zumindest für traditionelle pflanzliche Arzneimittel einen erleichterten Marktzugang geschaffen. Mit der Traditional Herbal Medicinal Products Directive (THMPD) 2004/24/EG wurde ein Registrierungsverfahren für diejenigen pflanzlichen Arzneimittel eingeführt, die über eine mindestens 30-jährige Verwendungstradition (davon mind. 15 Jahre in Europa) und ein gutes Sicherheitsprofil verfügen. Sicherheit und Wirksamkeit dieser Produkte gelten als belegt, ein Nachweis durch klinische Studien wird nicht verlangt. Die Anforderungen an die Produktqualität bleiben auf dem gehobenen Arzneimittelstandard.

Während einige Zulassungsbehörden diesen traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln – und auch den „well established use“-Produkten – aussagekräftige Indikationen zugebilligt haben, wurden die gleichen OTC-Produkte von anderen Behörden nur mit schwachen Produktaussagen versehen und dadurch trivialisiert. So konnte die regulatorische Erleichterung der THMPD die Abwanderungsbewegung hin zu anderen Produktkategorien nicht stoppen. Häufig mündete diese Abwanderung in regulatorisch waghalsige Konstruktionen, etwa der Vermarktung allzu arzneimittelnaher Nahrungsergänzungsmittel.

Nahrungsergänzungsmittel

Gemäß der EG-Richtlinie für Nahrungsergänzungsmittel 2002/46/EG sind Nahrungsergänzungsmittel Konzentrate mit ernährungsphysiologischen Stoffen, die geeignet sind, „die normale Ernährung zu ergänzen“. Zielgruppe sind an erster Stelle die gesunden Erwachsenen. Aus dieser Zielgruppe leiten sich die Möglichkeiten und Grenzen der Produktzusammensetzung und der Auslobung zur Gesunderhaltung ab. Sie bilden damit eine Schnittmenge mit einigen OTC-Arzneimitteln.

Einer der Vorteile dieser Produktkategorie besteht darin, dass Nahrungsergänzungsmittel im Gegensatz zu Arzneimitteln keinen behördlichen Genehmigungsprozess vor dem Inverkehrbringen durchlaufen müssen. In Deutschland etwa reicht die Anzeige beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aus. Aus industrieller Sicht erhöht dieser vereinfachte Marktzugang die Attraktivität dieser Produktkategorie ggü. einem Registrierungsverfahren bei Arzneimitteln. Die Verantwortung für die Sicherheit und Konformität mit den lebensmittelrechtlichen Vorschriften liegt beim Hersteller bzw. beim Inverkehrbringer.

Traditionelle Arzneistoffe wie beispielsweise Acetylcystein, Ginkgoblätterextrakt oder Bromelain werden in der EU auch in Nahrungsergänzungsmitteln vertrieben. Die Zulässigkeit solcher Stoffe in verschiedenen Produktgruppen ist jedoch nicht immer klar definiert und beschäftigt zunehmend die Gerichte.

Insbesondere die pflanzlichen Inhaltsstoffe stehen immer mehr im Fokus der Produktinnovationen, aber auch gleichermaßen unter Beobachtung der zuständigen Behörden. Hier sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen: Die Frage nach der „Unschädlichkeit“ für den Verbraucher etwa und die Frage nach dem Nutzen, ausgedrückt durch die verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben, die sogenannten Claims.

Zulässigkeit von Botanicals

Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Verwendung von pflanzlichen Inhaltstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln gibt es bislang keine europäisch einheitliche Regelung. Die Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. Mai 2004 regelt in ihren Anhängen zwar Vitamine und Mineralstoffe, die sonstigen Stoffe finden bislang noch keinen Eingang in Form einer konkreten Listung.

In der zugrunde liegenden europäischen Direktive 2002/46/EG findet sich in den Erwägungsgründen der Hinweis: „Spezifische Vorschriften über andere Nährstoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder über andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die als Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden, sollten zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden, sofern ausreichende und sachgerechte wissenschaftliche Daten über diese Stoffe vorliegen. Bis zum Erlass derartiger spezieller Gemeinschaftsvorschriften und unbeschadet der Bestimmungen des Vertrags können die nationalen Bestimmungen über Nährstoffe oder andere Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung, die als Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finden und für die keine speziellen Gemeinschaftsvorschriften erlassen wurden, angewandt werden.”

Die Situation, dass die konkrete Regulierung von anderen Stoffen als Vitaminen und Mineralstoffen, u.a. also die pflanzlichen Inhaltsstoffe, vertagt wurde, führt zu einem entsprechend heterogenen Bild innerhalb der EU und zu unterschiedlichen einzelstaatlichen Regelungen und Handhabungen.

Seit einigen Jahren gibt es Vorstöße der European Food Safety Authority (EFSA), die sich mit der Verwendung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen in Lebensmitteln auseinandersetzen, primär vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes. In einer Ende Mai 2012 veröffentlichten Ausarbeitung listet die EFSA rund 900 Pflanzen, Pflanzenteile und -zubereitungen auf, die gesundheitlich bedenklich sein können . Bearbeitet wurden in diesem Kompendium Botanicals, die mindestens in einem Land der Europäischen Union auf einer nationalen Negativliste zu finden sind. Ziel dieser Ausarbeitung ist eine Erleichterung der Sicherheitsbewertung von Pflanzen und deren Zubereitungen bei der Verwendung in Lebensmitteln und dabei auch in Nahrungsergänzungsmitteln.

In Deutschland wird seitens des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ebenfalls am Thema Botanicals gearbeitet, um Industrie wie Überwachungsbehörden eine Hilfestellung zur Entwicklung und Bewertung von Produkten mit pflanzlichen Inhaltsstoffen zu geben. Vertreter des Bundes und der Bundesländer arbeiten an einer Liste, die als Orientierungshilfe für die rechtliche Einstufung von Stoffen dienen soll. Diese sogenannte Stoffliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist offen für eine Fortschreibung, um neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Entwicklung des Marktes Rechnung zu tragen. Der Entwurf einer Liste für die Kategorie "Pflanzen und Pflanzenteile" wurde fertig gestellt und kann auf der Homepage des BVL eingesehen werden.

Neben der Stoffliste machte eine weitere kürzlich erschienene Veröffentlichung des BfR von sich reden. Im April 2012 wurde ein Wissenschaftsheft des BfR zur Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen vorgestellt. Aus Sicht des BfR ist in den vergangenen Jahren das Interesse, neue Pflanzen in Lebensmitteln und insbesondere in Nahrungsergänzungsmitteln zu verwenden, stark gestiegen. Das BfR hat in dieser Veröffentlichung eine gesundheitliche Bewertung von 16 Pflanzen vorgenommen und die Ergebnisse in einem gut 300 Seiten umfassenden Dokument zusammengefasst. Die veröffentlichten gesundheitlichen Bewertungen sollen der amtlichen Überwachung als Basis dienen und einen ersten Schritt im Harmonisierungsprozess auf europäischer Ebene darstellen. Inwiefern diese Ergebnisse tatsächlich auf europäischer Ebene diskutiert und in zukünftige Regelungen Eingang finden, bleibt offen, zumal es sich bei den ersten ausgewählten Pflanzen größtenteils um solche handelt, deren Risikopotential bekannt und deren Einsatz in Nahrungsergänzungsmitteln eher eine Rarität sind. Als Beispiel seien hier Digitalis (Fingerhut) oder verschiedene Arten von Aconitum (Eisenhut) genannt.

Gesundheitsbezogene Angaben für Botanicals

Neben der Sicherheit und der rechtlichen Zulässigkeit von Inhaltsstoffen spielen für die Industrie die zugelassenen bzw. noch in der Zulassung befindlichen „gesundheitsbezogenen Aussagen“ gemäß Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, auch Health Claims Verordnung (HCV) genannt, eine bedeutende Rolle. Für Nahrungsergänzungsmittel darf nur im Bereich der Gesunderhaltung geworben werden. Aussagen zur Behandlung oder Heilung von Krankheiten sind verboten. Bisher war der Lebensmittelhersteller selber für die Richtigkeit seiner Auslobungstexte verantwortlich. Mit der HCV ist nunmehr  ein Paradigmenwechsel eingetreten: Erst nachdem eine gesundheitsbezogene Angabe von der Europäischen Kommission genehmigt wurde, darf sie verwendet werden. Dafür werden entsprechende wissenschaftliche Daten von der EFSA geprüft und eine Beurteilung als Hilfestellung für die EU Kommission erstellt. Diese entscheidet dann über die Zulässigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe.

Nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angaben dürfen nicht mehr verwendet werden. Mit Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 hat am 16. Mai 2012 für rund 1.600 Produkte deshalb das letzte halbe Jahr ihrer Marktfähigkeit in ihrer bisherigen Form begonnen. Ab Mitte Dezember 2012 sind alle nicht zugelassenen und nicht zurückgestellten Angaben verboten. Damit hat sich die Abwanderung vom OTC-Arzneimittel hin zum Nahrungsergänzungsmittel für einige Produkte als Sackgasse erwiesen.

Diese lang erwartete und nun veröffentlichte Liste deckt jedoch gerade nicht diejenigen Stoffe pflanzlichen Ursprungs ab. Die weitere Bewertung und Umsetzung in gesetzlichen Regelwerken wurde bis auf Weiteres ausgesetzt.

Im Questions & Answers Papier vom 5. Dezember 2011 (MEMO/11/868) heisst es: „Certain herbal substances can be present in the composition of both Traditional Herbal Medicinal Products (THMPs) and in foods. It is therefore possible that, for the same substance, the therapeutic indication given by manufacturers of THMPs is similar (with the due distinctions, as medicinal claims are forbidden on foods) to a health claim made by food manufacturers. Differences in legal requirements between health claims and THMPs could lead to a different treatment of the same substance, according to whether it is present in a food or in a medicine. This would create discriminations on the market of herbal products and potential confusion for consumers. Since the Commission and Member States need more time to decide how to address this issue, it was decided to put these claims on hold.”

Dies umschreibt treffend das Dilemma, in dem sich die EU mit ihren Botanicals befindet, und noch sind keine Lösung oder ein konkreter Zeitrahmen zur Klärung dieser Problematik in Sicht.

Kongruente Regelung in weiter Ferne

Eine Konsequenz aus der Feststellung, dass pflanzliche Inhaltsstoffe sowohl in Arzneimitteln als auch in Lebensmitteln verwendet werden und hier eine kongruente Handhabung innerhalb der EU wünschenswert und zu erarbeiten ist, könnte die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der European Medicines Agency (EMA) und der EFSA sein. In einer Veröffentlichung aus dem Januar 2012 kündigen die beiden genannten Behörden an, ihre Zusammenarbeit künftig intensivieren zu wollen. „Ziel der Kooperation ist die bestmögliche Nutzung der Ressourcen durch Vermeidung von Doppelarbeit, der verbesserte Informationsaustausch und die frühzeitige Zusammenarbeit, um mögliche divergierende Positionen der wissenschaftlichen Ausschüsse bzw. allgemein der Organe der beiden Agenturen zu erkennen.“

Neben diesem europäischen Forum zum Informationsaustausch wird gemäß BfArM-Veröffentlichung vom 8. Mai 2012 auch auf Bundesebene eine gemeinsame Expertenkommission gegründet, die sich mit der Einstufung von Inhaltsstoffen von Arzneimitteln und Lebensmitteln auseinandersetzen soll. Es wird nicht explizit auf Botanicals abgestellt, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass hier ein Schwerpunkt liegen wird. Neben den von den Ländern zu entsendenden Sachverständigen und einem Sachverständigen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) soll die Kommission überwiegend mit Experten aus Forschung und Lehre aus den Bereichen Pharmazie, Medizin, Lebensmittelchemie etc. besetzt werden. Vertreter der Industrie sind unerwünscht. Das BVL und das BfArM werden jeweils mit einem Mitglied ohne Stimmrecht vertreten sein, die Geschäftsstelle der Kommission leiten und das in beiden Häusern vorhandene Fachwissen in die Arbeit der Kommission einbringen. Mit den Empfehlungen der Kommission sollen den zuständigen Bundes- und Landesbehörden Gutachten an die Hand gegeben werden, auf die gerichtsfeste Vollzugsmaßnahmen gestützt werden können. Die zu erarbeitenden Gutachten werden mit einer Empfehlung bezüglich der Verkehrsfähigkeit eines Stoffes als Lebensmittel schließen.

Als eine weitere Initiative auf europäischer Ebene ist das PlantLIBRA Projekt zu nennen. PlantLIBRA steht für PLANT food supplements: Levels of Intake, Benefit and Risk Assessment und ist ein von der EU co-finanziertes Projekt. Ziel ist wiederum die sichere Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln, die Pflanzen und deren Zubereitungen enthalten, sowie die Verbesserung einer wissenschaftlich basierten Entscheidungsfindung sowohl für die Überwachung als auch für die Industrie. Da das Projekt noch relativ neu ist, sind Ergebnisse frühestens in zwei Jahren verfügbar.

Neben diesen europäischen Bestrebungen und den dargestellten deutschen Initiativen gibt es natürlich in anderen Ländern der EU einzelstaatliche Regelungen.

Die Aufzählung der Aktivitäten zeigt, dass die Ansätze zwar mannigfaltig sind, eine abschließende und befriedigende Klarstellung jedoch noch nicht greifbar ist. Um den gemeinsamen Binnenmarkt zu erhalten und Rechtssicherheit für die Hersteller zu schaffen, besteht dringende Notwendigkeit für eine europäisch einheitliche Regulierung dieses Feldes.

Ansätze für die Zukunft

Die vorherige Zusammenfassung belegt es deutlich: Die Notwendigkeit, einen klaren Rahmen für die Verwendung von pflanzlichen Inhaltsstoffen in Gesundheitsmitteln zu schaffen, wurde von Behörden und Gesetzgebern erkannt. Dies zeigen sowohl nationale wie auch Bestrebungen der EU gleichermaßen. Nun gilt es, die Herausforderung so zu meistern, diese Bestrebungen auch in einem akzeptablen zeitlichen Rahmen zur sinnvollen und pragmatischen Umsetzung zu bringen. 

Mit dem Schritt der Schaffung der THMP-Direktive wurde und wird dem Gesundheitsmarkt eine rechtssichere Lösung und ein relativ schneller Marktzugang zu vertretbaren Kosten geboten. Sie ist die Grundlage für eine europaweite Harmonisierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel. Die Tatsache, dass mittlerweile über 750 Registrierungen seit Einführung der Richtline erteilt wurden, belegt ihren Erfolg. Allein im Jahr 2011 wurden 375 Registrierungen  auf traditioneller Basis erteilt. Obwohl diese Direktive nach anfänglichen Schwierigkeiten langsam zu einer Erfolgsgeschichte wird, besteht hinsichtlich der technischen Ausgestaltung aus Sicht der Antragsteller noch Optimierungsbedarf. Während in einigen Ländern aussagekräftige, krankheitsbezogene Indikationen erteilt werden, lassen sich die von anderen Mitgliedsstaaten ausgesprochenen Indikationen kaum von einer gesundheitsbezogenen Aussage für ein Lebensmittel unterscheiden.

Während die Registrierung von traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln knapp zehn Jahre nach Einführung eine starke Dynamik erfährt, wird gleichermaßen die Entwicklung der rechtssicheren Verwendung von Botanicals in Nahrungsergänzungsmitteln gedrosselt. Der Grund liegt hier u.a. in der Entscheidung der EU Kommission, die weitere Bewertung der Botanicals und ihrer Claims bis auf weiteres "on hold" zu setzen. Neben der Verwendung von pflanzlichen Inhaltsstoffen in Arzneimitteln gibt es selbstverständlich auch eine Existenzberechtigung für die Verwendung von geeigneten pflanzlichen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln und damit auch in Nahrungsergänzungsmitteln. Dieser Bereich ist, trotz des Engagements einer Vielzahl von Gremien, Arbeitsgruppen und Initiativen jedoch weiterhin weitestgehend ungeregelt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Herausforderung liegt im adäquaten Umgang mit der zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Datenbasis. Ziel ist in erster Linie die Schaffung passender Kriterien, die den Besonderheiten der Botanicals gerecht werden. Hier kann die THMPD als Vorbild für einen möglichen Umgang mit solchen "besonderen" Stoffen gelten. Auch für die Botanicals in Lebensmitteln muss ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der wissenschaftliche Plausibilität vor die Bewertung stellt, die sich ausschließlich auf placebokontrollierte, doppelblinde Studien an Gesunden fokussiert. Hier ist nun erneut die EFSA oder die Kommission gefragt, die nach ihrem "Fehlstart" für Botanicals, Methoden zur Bewertung erarbeiten muss, die der Komplexität von Pflanzenstoffen tatsächlich gerecht werden.

Damit der Markt der Gesundheitsmittel in Europa seine Bedeutung für den Verbraucher langfristig bewahren kann, sollte die differenzierte Handhabung von pflanzlichen Arzneimitteln und Botanicals in Nahrungsergänzungsmitteln weit oben auf der Agenda von Politik und Verbänden stehen. Erforderlich sind europäisch einheitliche, pragmatische und für Industrie wie Verbraucher klare Regelungen für Gesundheitsprodukte. Dies ist eine Herausforderung, die in den nächsten Jahren gemeistert werden muss.

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