Zwischen Umweltschutz und Versorgungsdruck: Warum die EU-Abwasserrichtlinie zur Belastungsprobe für Pharmaunternehmen wird

23.06.2025
Diapharm

Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) sorgt europaweit für erhebliche Diskussionen, insbesondere in der pharmazeutischen Industrie. Mit dem Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie 91/271/EWG legte die Europäische Kommission 2022 den Grundstein für eine ambitioniertere europäische Wasserpolitik. Nun gilt es die Richtlinie bis 2027 in nationales Recht umzusetzen.

Zentrale Reform ist die erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR). Die EPR verpflichtet Städte und Gemeinden künftig eine vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen zu implementieren, um insbesondere Rückstände von Human- und Tierarzneimitteln sowie Kosmetika effizient aus dem Abwasser zu entfernen. Die daraus entstehenden Investitions- und Betriebskosten sollen nach aktuellem Vorschlag der Regierung maßgeblich von den Herstellern der betroffenen Produkte getragen werden. Für die pharmazeutische Industrie stellt dies eine signifikante Mehrbelastung dar, sowohl finanziell als auch administrativ und strategisch. Neben neuen Meldepflichten ergibt sich ein erhöhter regulatorischer Aufwand innerhalb der Europäischen Union (EU). Dies könnte sich unmittelbar auf Produktionsentscheidungen, Lieferkettenstabilität und letztlich auf die Preisgestaltung auswirken. Für viele Unternehmen steht dabei auch die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Pharmastandorts auf dem Prüfstand.

Diese Entwicklung steht in auffälligem Widerspruch zum zeitgleich auf europäischer Ebene angestoßenen Critical Medicines Act (CMA). Der CMA soll die Versorgungssicherheit essenzieller Arzneimittel erhöhen sowie Abhängigkeiten von Drittstaaten verringern, indem europäische Produktionsstandorte unterstützt und Produktionskapazitäten ausgebaut werden sollen. Während der CMA Produktionsanreize schafft, setzt die KARL neue Kosten- und Bürokratiehürden. Diese Inkohärenz konterkariert die industrie- und gesundheitspolitischen Ziele der EU.

Diapharm steht für die Etablierung Europas als attraktiver Standort für Pharmaunternehmen. Diapharm begleitet Unternehmen aktiv bei Standortaufbau und Standortsicherung in Europa. Ein starker europäischer Pharmastandort braucht klare, planbare und kohärente Rahmenbedingungen und keine widersprüchlichen Signale.

Hoffnung auf politisches Umdenken: Kritik aus der Branche zeigt Wirkung

Angesichts zunehmender Kritik aus der Pharma-Branche zeigt sich die EU-Kommission nun erstmals offen für eine Neubewertung. Im Rahmen der am 4. Juni 2025 vorgestellten Wasserresilienzstrategie kündigte sie an, die Kosten und Auswirkungen der EPR für die betroffenen Sektoren Pharma und Kosmetik erneut zu überprüfen.

In einer Pressemitteilung betonte der Verband Pharma Deutschland e.V., dass die bisherigen Kosten- und Wirkungsschätzungen zahlreiche methodische Mängel aufwiesen. Bereits im Mai hatte das Europäische Parlament in einem Initiativbericht die Kommission aufgefordert, die ökonomischen Folgen der Richtlinie für die Arzneimittelversorgung neu zu bewerten. Ein zweites Gutachten des Beratungsunternehmens Ramboll untermauerte die Kritik an der ursprünglichen Folgenabschätzung und identifizierte erhebliche methodische Schwächen. Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender von Pharma Deutschland, erklärte: „Es bleibt nicht mehr viel Zeit, die schwerwiegenden Folgen der Richtlinie einzudämmen. Wir fordern daher die Kommission auf, die Studie schnell vorzulegen und eine Anpassung der Richtlinie vorzunehmen.“ Infolgedessen forderte Pharma Deutschland die Gesundheitsministerkonferenz in einem offenen Brief vom 10. Juni auf, sich für die Revision der KARL einzusetzen, vor allem im Hinblick auf Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Standorts.

Die Ankündigung der Kommission die bisherige Strategie zu prüfen ist ein politisches Signal. Sie zeigt, dass wirtschaftliche, versorgungspolitische und ökologische Ziele in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen. Pharmaunternehmen sollten die laufenden politischen Entwicklungen aufmerksam verfolgen, interne Produktportfolios hinsichtlich umweltrelevanter Substanzen analysieren und sich frühzeitig auf mögliche Beteiligungsmodelle vorbereiten (Kostentragung, Rücknahmesysteme, Transparenzanforderungen). Auch Diapharm bleibt aufmerksam und wird auf jede neue Anforderung mit entsprechender Expertise reagieren und unterstützen können.

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