Neuerung im Lebensmittelrecht. "Ergänzungsstoffe" – was verbirgt sich dahinter?

30.10.2012
Zurzeit sind andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe, die Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs zu ernährungsspezifischen oder physiologischen Zwecken zugesetzt werden, nicht durch die europäische Gesetzgebung geregelt. Den EU-Mitgliedsstaaten steht es daher frei, eigene Regelungen diesbezüglich aufzustellen.

In Deutschland zählen solche Stoffe oft zu den Stoffen, die nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches  (LFGB) den Zusatzstoffen gleichgestellt werden. Die Verwendung solcher Stoffe unterliegt dem Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. ein Einsatz ist solange verboten, bis er z.B. durch eine Allgemeinverfügung (§ 54 LFGB) oder Ausnahmegenehmigung (§ 68 LFGB) erlaubt wird. Eine Ausnahme von der Gleichstellung bilden charakteristische Zutaten eines Lebensmittels oder Stoffe, die selber als Lebensmittel verzehrt werden.

In zwei BGH-Urteilen vom 15. Juli 2010 zu Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat  hat der BGH jedoch entschieden, dass die in § 2 Abs. 3 Satz 2 LFGB festgelegte Gleichstellung von den so genannten anderen Stoffen mit Zusatzstoffen europarechtswidrig ist und daher keine Anwendung mehr finden darf.

Ein Entwurf zur Änderung des LFGB sieht nun die Einführung einer neuen Stoffgruppe, den „Ergänzungsstoffen“ vor, um wieder eine gesicherte Rechtsgrundlage herzustellen. In dem Entwurf heißt es

„Ergänzungsstoffe sind Stoffe, einschließlich Stoffgemische, die dazu bestimmt sind

  1. einem Lebensmittel bei dem Herstellen oder Behandeln zugegeben zu werden oder
  2. selbst als Lebensmittel verzehrt zu werden,

um jeweils eine über die normale Ernährung hinausgehende ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung zu erreichen. Keine Ergänzungsstoffe sind Vitamine sowie Derivate und Mineralstoffe und Spurenelemente sowie deren Verbindungen.“

Unter dem Begriff Ergänzungsstoff sollen nun z.B. Flavonoide, essentielle Fettsäuren, Aminosäuren aber auch pflanzliche Auszüge oder Konzentrate wie z.B. Grüntee-Extrakt fallen. Diese dürfen erst nach der Durchführung eines Anmeldeverfahrens als Lebensmittel oder einem anderen Lebensmittel zugegeben in den Verkehr gebracht werden. Bei der Anmeldung sind u.a. hinreichende wissenschaftliche Belege einzureichen, welche zeigen, dass der betreffende Ergänzungsstoff im Rahmen der vorgesehenen Verwendung keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellt. Sollte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine gegenteilige Entscheidung treffen, ist ein Vertrieb des Stoffes verboten. Eine Ausnahme von der verpflichtenden Anmeldung soll es bisher nur für Stoffe geben, für die eine Allgemeinverfügung oder eine Ausnahmegenehmigung erlassen worden ist.

Eine kritische Betrachtung des Gesetzentwurfes zeigt, dass eine Umsetzung zu einer Erweiterung des deutschen Verbotsansatzes führen würde: die Tage der „charakteristischen Zutat“ wären damit gezählt. Diese würden dann nämlich auch unter die anmeldepflichtigen Ergänzungsstoffe fallen. Dies gilt auch für bereits in Verkehr befindliche Ergänzungsstoffe, welche innerhalb von zwei Jahren nach in Kraft treten der Gesetzesänderung, angemeldet werden müssen.

Sollte der o.g. Gesetzesentwurf umgesetzt werden, so hätte dies weitreichende Folgen. So werden die Lebensmittelunternehmen u.a. vor die Herausforderung gestellt, abzugrenzen, welche Stoffe eine über die normale Ernährung hinausgehende ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung  aufweisen und somit zu den Ergänzungsstoffen zählen und welche nicht. Zudem müssten sie die erforderlichen Unterlagen für die Anmeldung der Ergänzungsstoffe bereitstellen. Unklar ist noch, wie weitreichend die Belege zur Sicherheit der Ergänzungsstoffe sein müssen.

Auch das Einreichen eines Musters der Kennzeichnung des Produktes, welches bei der Anmeldung eines Ergänzungsstoffes nach jetzigem Diskussionsstand einzureichen ist, ist nicht unkritisch zu sehen: Oft kann die Kennzeichnung von z.B. Nahrungsergänzungsmitteln erst am Ende der Entwicklungsphase fertig gestellt werden. Aufwendige Entwicklungsarbeiten wie z.B. die Evaluierung der Mindesthaltbarkeit, technologische Vorversuche etc. wären vergebens, wenn das BVL das Inverkehrbringen des Ergänzungsstoffes untersagt. Ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für die betroffenen Unternehmen.

Nicht zuletzt ist die Frage erlaubt, ob das BVL die Bearbeitung des zu erwartenden Ansturms an Anmeldungen in dem gesetzlich vorgesehenen Zeitraum bewältigen kann. Sollten hier die personellen Ressourcen nicht gegeben sein, könnte es zu Engpässen und Verzögerungen kommen, deren Konsequenzen aktuell noch schwer einschätzbar sind.

Bisher ist vorgesehen, den Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode, also bis September 2013, umzusetzen.

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