Neue Herausforderungen an Ergänzende bilanzierte Diäten durch EFSA-Dossiers – Teil 2

pharmind 2/2017, S. 244–248
Im Folgenden wird das FSMP-Dossier detailliert vorgestellt und praktische Hinweise gegeben. Das Dossier ist in 6 Teile gegliedert.

2. Technische Herausforderungen bei der Erstellung des Dossiers für EbD

Abbildung 3: Gliederung des FSMP-Dossiers

  1. Administrative und technische Daten
  2. Charakterisierung des speziellen Lebensmittels
  3. Vorgeschlagenes Anwendungsgebiet des Produktes
  4. Charakterisierung der Krankheit, Störung oder Beschwerden und der Patienten, für die das Produkt vorgesehen ist
  5. Spezifische Rolle des Lebensmittels im diätetischen Management der Patienten im vorgeschlagenen Anwendungsgebiet
  6. Verwendungsbedingungen und Verwendungseinschränkungen

Gliederung des FSMP-Dossiers gemäß „Scientific and technical guidance on foods for special medical purposes“ der EFSA  (Quelle dieser Abbildung: Übersetzung des engl. Originals durch den Autor)

Teil 1 Administrative und technische Daten

Zu Beginn ist ein Formular zur Identifizierung des Herstellers auszufüllen. Verwiesen wird in der Leitlinie auf einen Anhang mit dem Formular. Der besseren Übersichtlichkeit halber bietet es sich an, dieses Formular auch in den Anfang (Kapitel 1.2) direkt zu integrieren. Dort anzugeben sind Name und Anschrift des Unternehmens oder der Organisation sowie eine verantwortliche Person, die zuständig ist, sollten sich Fragen aus dem vorgelegten Dossier seitens der European Food Safety Authority (EFSA) ergeben. Anschließend (Kapitel 1.4) ist das Produkt näher zu spezifizieren. Dabei soll angegeben werden, ob es sich bei dem Produkt um ein

  • diätetisch vollständiges Lebensmittel mit einer Nährstoff-Standardformulierung, die bei Verwendung nach den Angaben des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die es bestimmt ist, darstellen kann
  • diätetisch vollständiges Lebensmittel mit einer für eine bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifische angepasste Nährstoffformulierung, die bei Verwendung nach den Anweisungen des Herstellers die einzige Nahrungsquelle für die Personen, für die es bestimmt ist, darstellen kann
  • diätetisch unvollständiges Lebensmittel mit einer Standardformulierung oder einer für die bestimmte Krankheit oder Störung oder für bestimmte Beschwerden spezifische angepasste Nährstoffformulierung, die sich nicht für die Verwendung als einzige Nahrungsquelle eignet

handelt.

Während es sich bei den beiden zuerst genannten Kategorien um die klinischen vollbilanzierten Diäten (enterale Ernährung wie Trink- oder Sondennahrung) handelt, sind Ergänzende bilanzierte Diäten (EbD) in die letzte Kategorie einzuordnen. Bei den meisten EbDs handelt es sich um eine angepasste Nährstoffformulierung. EbDs z. B. mit Probiotika könnten hier insofern Probleme bekommen, da Probiotika keine Nährstoffe darstellen. In den Niederlanden wurde dies z. B. beanstandet. In Deutschland allerdings ist der Nährstoffbegriff umfassender und orientiert sich an der Definition des Codex Alimentarius, nach der ein Nährstoff auch definiert werden kann, wenn es sich um einen Stoff handelt, bei dessen Fehlen charakteristische biochemische oder physiologische Veränderungen auftreten. [1]

Zudem sind an dieser Stelle (Kapitel 1.4.3) das vorgeschlagene Anwendungsgebiet, die Patienten-Zielgruppe, die Krankheit/Störung oder Beschwerden, die Verwendungsbedingungen (empfohlene Dosierung bzw. Art und Weise der Verabreichung und „sofern zutreffend“ die Verwendungseinschränkungen anzugeben. Zu Letzteren gehört z. B. eine Mitteilung, welche Patienten oder Patientengruppen dieses Produkt nicht verwenden sollen. Enthält das Dossier vertrauliche Informationen, sind diese unter genauer Angabe des betreffenden Titels/Abschnitt ebenfalls mitzuteilen.

Teil 2 Charakterisierung des speziellen Lebensmittels

In diesem Abschnitt (Kapitel 2.1) ist das betreffende Produkt näher zu charakterisieren. Dabei sind zunächst der Name, die „Quelle“ und die Spezifikationen des Lebensmittels wie etwa die physikalischen und chemischen Eigenschaften, die Inhaltstoffe und ihre Quellen als auch die quantitative Analyse des Energiewerts und des Nährstoffgehalts der verzehrfertigen Menge/Ration anzugeben. Eine kalkulatorische Angabe (rechnerisch ermittelt) sollte hier ausreichen.

Wie allgemein bei Dossiers z. B. für Arzneimittel üblich, wird empfohlen, mit entsprechenden Anlagen zu arbeiten. In der Anlage zu diesem Kapitel sollte dann bezogen auf das Fertigprodukt eine Spezifikation mit Angaben zur Verpackung, Rezeptur mit Rohstoffspezifikationen, Kennzeichnung mit Pflichtangaben wie empfohlene Verzehrsmenge, Mindesthaltbarkeitsdatum, evtl. Lagerungsbedingungen, Nährwertdeklaration erfolgen. In Kapitel 2.2 soll der Herstellungsprozess beschrieben werden. Wenn die Herstellung in ein Qualitätsmanagementsystem (z. B. GMP) eingebunden ist, sollte dies angezeigt werden. Wenn der Herstellungsprozess als vertraulich gekennzeichnet wird, sollte eine „nicht vertrauliche“ Zusammenfassung des Herstellungsprozesses aus Gründen der Übersichtlichkeit in dem Dossier erfolgen.

Es sollen alle relevanten Informationen für die spezielle Formulierung des Produkts angegeben werden, z. B. soll erklärt werden, warum dieses Produkt eine Formulierung hat, welche sich von anderen Lebensmitteln unterscheidet, inklusive angereicherter Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, „wo zutreffend“. Die jeweils vertraulichen Angaben sollten auf ein Minimum reduziert werden und entsprechend gekennzeichnet werden. Es muss erklärt werden, warum diese Informationen vertraulich sind. Es wird auch hier eine Anlage mit einer produktbezogenen Darstellung des Herstellprozesses empfohlen. In Kapitel 2.3 sollen Informationen zur Stabilität und Haltbarkeit des Produkts gegeben werden. Gegebenenfalls sollte eine kurze Zusammenfassung der Studien (z. B. Bedingungen, Chargen und analytische Methoden) und der Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Stabilitätstests gegeben werden. Es sollten Schlussfolgerungen hinsichtlich der Lagerbedingungen und des Mindesthaltbarkeitsdatums gegeben werden. Auch hier bietet sich eine Anlage mit den produktbezogenen Informationen an. In Kapitel 2.4 sollen Quellen und unterstützende Dokumentation (erwähnt in Teil 2) zusammen mit Kopien/Abdrucken veröffentlichter Daten und/oder Gesamtberichte unveröffentlichter Daten aufgeführt werden.

Teil 3 Vorgeschlagenes Anwendungsgebiet des Produktes

In diesem Abschnitt soll das vorgeschlagene Anwendungsgebiet des speziellen Lebensmittels, die für dieses Anwendungsgebiet identifizierte Ziel-Patientengruppe, die Krankheit/Störung oder die Beschwerden sowie die Verwendungsbedingungen und („wo zutreffend“) die Verwendungseinschränkungen angegeben werden. Dies ist quasi eine Wiederholung des Abschnitts 1.4.3. Die Bezeichnungen Krankheit/Störung oder Beschwerden lassen eine weite Auslegung zu. Demnach muss es sich nicht in jedem Fall um eine eindeutig (nach ICD-Katalog [International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems]) festgelegte und definierte Krankheit handeln. Aus Erfahrungen der Rechtsprechung und Auslegung von Behörden in Deutschland empfiehlt es sich aber, eine genau definierte Krankheit, Störung oder Beschwerde anzugeben. Als Anwendungsgebiet empfiehlt es sich eine Verkehrsbezeichnung zu verwenden im Sinne „zur diätetischen Behandlung“ (nach bisherigem Recht) bzw. „zum diätetischen Management“ (nach dem neuen delegierten Rechtsakt 2016/128) und der möglichst detaillierten Bezeichnung des diätetischen Nutzens. Bei der Bezeichnung sollte dies vorher genau überlegt werden, da die Festlegung des genauen Anwendungsgebiets entscheidend für das gesamte Dossier und insbesondere auch für die folgenden Teile 4,5 und 6 ist.

Es ist möglich, für ein Produkt mehr als ein Anwendungsgebiet vorzuschlagen. In diesem Fall sollten die Teile 4, 5 und 6 dieses Dossiers entsprechend für jedes Anwendungsgebiet ausgefüllt werden. Ferner sollte angegeben werden, ob ein oder mehrere Teile für 2 oder mehrere vorgeschlagene Anwendungsgebiete geeignet sind.

Teil 4 Charakterisierung der Krankheit, Störung oder Beschwerden und der Patienten, für die das Produkt vorgesehen ist

In diesem Abschnitt soll angegeben werden, ob die Krankheit, Störung oder Beschwerde, für die das Lebensmittel vorgesehen ist, zu einer Krankheit/Störung mit einer Diagnose gehört, die auf anerkannten, klar definierten und objektiven Kriterien basiert (z. B., die Kriterien der Diagnose sind durch ärztliche Fachkreise weitgehend akzeptiert/anerkannt und können von einem Arzt bestätigt werden). In diesem Fall sollen die Kriterien, die für die Diagnose der Krankheit/Beschwerde benutzt werden, beschrieben werden. Soweit vorhanden sollen Leitlinien/Konsensuspapiere, die durch wissenschaftliche (medizinische) Kreise veröffentlicht wurden und die die Kriterien der Diagnose beschreiben, zur Verfügung gestellt werden.

Ist keine genaue Zuordnung einer Krankheit möglich, können auch Beschwerden definiert und beschrieben werden.

Im folgenden Kapitel 4.2 sollen die Patienten, für die das Produkt vorgesehen ist, charakterisiert werden. Es sollen die Patienten spezifiziert werden, die an der Krankheit/Störung oder an Beschwerden leiden, für welche das Produkt bestimmt ist. Es sollen Informationen gegeben werden, ob das spezielle Lebensmittel für alle Patienten, die an der Krankheit/Störung oder an Beschwerden leiden, beabsichtigt ist. Wenn das spezielle Lebensmittel nur für eine Untergruppe von Patienten beabsichtigt ist, sollen die Eigenschaften dieser Patienten (z. B. Alter, Geschlecht, Krankheitsgrad, klinische Bedingungen) spezifiziert werden. Zum Beispiel stellt bei dem Krankheitsbild Antibiotika assoziierte Diarrhoe (AAD) die Clostridium difficile assoziierte Diarrhoe (CDAD) eine Subgruppe dar.

Es sollen die Gründe erläutert werden, warum es für Patienten, für die das spezielle Lebensmittel beabsichtigt ist, unmöglich, unpraktisch oder unsicher ist, ausschließlich Lebensmittel (inklusive angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel), die keine FSMPs sind, aufzunehmen. Es sollen Gründe benannt werden, warum solche Patienten einen nutritiven oder klinischen Nachteil bei der Aufnahme von ausschließlich Lebensmitteln (inklusive angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel), die keine FSMPs sind, haben. Dabei dürfen ein oder mehrere Gründe genannt werden.

In einem Fragenkatalog werden die Gründe abgefragt, weshalb der Patient nicht in der Lage ist „herkömmliche“ Lebensmittel zu sich zu nehmen, z. B. weil er diese nicht schlucken, kauen oder richtig verdauen kann. An dieser Stelle wird deutlich, dass dieses Dossier aus Sicht der enteralen Ernährung geschrieben wurde. Während ein entsprechendes Ausfüllen dieser Fragen für die vollbilanzierten Diäten kein Problem darstellen dürfte (z. B. Trinknahrung bei Schluckbeschwerden), „passt“ dies nicht für die meisten EbDs.

Unter Punkt g) wird gefragt, ob die Krankheit/Störung oder die Beschwerden zu spezifischen medizinisch-bestimmten Nährstofferfordernissen führen, die typisch für diese Krankheit/Störung oder für die Beschwerden sind. Es sollen Belege zur Verfügung gestellt werden, dass die Krankheit/Störung oder die Beschwerden zu spezifischen Ernährungserfordernissen führen. Es sollen die Nährstoffe/anderen Stoffe identifiziert werden, für welche die Erfordernisse spezifisch sind (wo zutreffend) und ein Beleg/Rationale angegeben werden für die Gründe, warum diese Erfordernisse nicht oder nur sehr schwierig erfüllt werden können, wenn ausschließlich Lebensmittel aufgenommen werden, die keine FSMPs sind. An dieser Stelle könnte z. B. ein Mehrbedarf an Nährstoffen angegeben werden, der bei einer Krankheit einen entsprechenden diätetischen Nutzen hat. Nach der Definition von FSMPs nach Art. 2 Abs. 1g der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 sind FSMPs „zur ausschließlichen oder teilweisen Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechslung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder darin enthaltener Nährstoffe oder Stoffwechselprodukte oder von Patienten mit einem sonstigen medizinischen Nährstoffbedarf bestimmt, für deren Diätmanagement die Modifizierung der normalen Ernährung allein nicht ausreicht.“ Wichtig für die rechtliche Einordnung als EbD ist es, eines dieser Kriterien zu erfüllen. Für viele EbDs auf dem Markt wird der „sonstige medizinische Nährstoffbedarf“ entscheidend sein. Dieser i.d.R. Mehrbedarf an Nährstoffen bildet sich aber in dem Dossier nur unzureichend ab.

Ferner wird unter Punkt f) gefragt, ob die Krankheit/Störung oder die Beschwerden durch Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs getriggert werden können. Dies träfe z. B. bei proteinhaltigen Lebensmitteln bei der Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie zu.

Im folgenden Kapitel 4.3 soll der Einfluss der Krankheit/Störung oder der Beschwerden auf den Ernährungszustand der Patienten, für die das Produkt vorgesehen ist, beschrieben werden. In einem Fragenkatalog werden dann die entsprechenden Nährstoffe (wie Proteine bzw. Aminosäuren, Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe) abgefragt. Gefragt wird dabei, ob z. B. eine Malnutrition (Energie/Protein) oder entsprechende Überversorgungen oder Defizite an diesen Stoffen vorliegen. Auch hier bietet der Punkt f) „andere Einflüsse auf den Ernährungszustand“ die Möglichkeit, an dieser Stelle einen medizinisch bedingten (z. B. erhöhten) Mehrbedarf an diesen oder weiteren Stoffen zu erläutern.

Teil 5 Spezifische Rolle des Lebensmittels im diätetischen Management der Patienten im vorgeschlagenen Anwendungsgebiet

In diesem Abschnitt soll die Rationale für die spezifische Zusammensetzung und/oder Formulierung des Lebensmittels in Bezug zu dem vorgeschlagenen Anwendungsgebiet beschrieben werden. Es soll erklärt werden, dass der Gebrauch des speziellen Lebensmittels im diätetischen Management der Patienten, für die das Produkt beabsichtigt ist, notwendig ist oder warum es praktischer oder sicherer ist als der ausschließliche Gebrauch von Lebensmitteln, die nicht FSMPs sind und/oder warum das Produkt einen nutritiven oder klinischen Vorteil für den Patienten hat. Der Passus „klinische Vorteile“ ist neu und ermöglicht eine Angabe von z. B. weniger Krankheitstagen o.ä.

Es sollen alle verfügbaren klinischen Daten zur Verfügung gestellt werden, die den Nutzen des speziellen Lebensmittels für das diätetische Management der Patienten dokumentieren. Falls verfügbar, sollen veröffentlichte Leitlinien/Konsensuspapiere von wissenschaftlich (medizinischen) Fachgesellschaften zum diätetischen Management der Patienten, für die das Produkt beabsichtigt ist, zur Verfügung gestellt werden. Es sollen alle „anderen geeigneten Informationen“, die bezüglich der speziellen Rolle des Lebensmittels in dem vorgeschlagenen Anwendungsgebiet beachtet werden sollten, angegeben werden.

Es wird also eine Beschreibung der Rationale für die spezielle Zusammensetzung des Lebensmittelprodukts als FSMP hinsichtlich der Pathophysiologie der Erkrankung/Störung oder medizinischen Beschwerden für die das FSMP gedacht ist, gefordert. Die Anforderungen an die wissenschaftlichen Daten, die zur Begründung der Wirksamkeit und Zweckbestimmung des Produktes festzulegen sind, sind  allgemein formuliert. Im vorherigen Entwurf der EFSA-Leitlinie FSMP wurde beschrieben, dass „Humanstudien“ benötigt werden, in denen „die Verwendung des Lebensmittelprodukts für die diätetische Behandlung von Patienten, für die das spezifische Produkt gedacht ist, dokumentiert wird”. Dies wurde mehrheitlich von Verbänden und Rechtsanwälten so ausgelegt, dass eine klinische Studie mit dem Originalprodukt Pflicht wäre. Dieser Passus ist in der finalen Fassung gestrichen worden. In Teil 5 wird nunmehr nicht von „klinischen Studien” gesprochen sondern von „allen verfügbaren Daten”. Somit wurde die Gewichtung klinischer Humanstudien herabgesetzt. Dies ermöglicht also den Unternehmen einen größeren Spielraum für einen wissenschaftlichen Beleg. Im Einzelfall kann es dennoch erforderlich sein, eine klinische Studie mit dem Originalprodukt vorzulegen, wenn nur so eine ausreichende Evidenz erreicht werden kann. Zudem ist auch weiterhin zu beachten, dass in Deutschland eine in den letzten Jahren zunehmend stringente Rechtsprechung hinsichtlich der Anforderungen zum Nachweis der Wirksamkeit von FSMP/EbD zu erkennen ist (s. Entscheidung des Bundesgerichtshof [BGH] vom 15.03.2012/IZR 45/11 hinsichtlich der Notwendigkeit randomisierter kontrollierter Studien [RCT]. Es gab jedoch auch Urteile, die in diesen Fällen keine explizite RCT-Studie forderten.

Anders als im Arzneimittelsektor ist es für eine EbD nicht notwendig, vor Klassifizierung und Marktzugang ein komplettes präklinisches und klinisches Entwicklungsprogramm vorzulegen. Eine EbD wird in Deutschland lediglich angemeldet; ein den Arzneimitteln entsprechendes Zulassungsverfahren findet hier nicht statt. Eine Evidenz für die Wirkung muss belegt werden, jedoch ist die für eine EbD notwendige Evidenz wesentlich unschärfer gefasst. Für die jeweilige Indikation muss eine wissenschaftliche Rationale vorliegen. Als Grundlage dienen Untersuchungen, die die Plausibilität einer Wirksamkeit des entsprechenden Produkts in der jeweiligen Indikation belegen. Dazu können zum einen Untersuchungen zählen, die auf einen plausiblen Wirkmechanismus des Produkts in der intendierten Indikation hinweisen. Zum anderen können Humanstudien zur klinischen Wirksamkeit ebenfalls die Plausibilität einer positiven Wirkung auf die Symptomatik der entsprechenden Erkrankung je nach der später noch genau zu definierenden vollständigen Verkehrsbezeichnung zeigen. Verglichen mit dem Entwicklungsprogramm für Arzneimittel entsprechen diese Studien am ehesten denen, die Daten zur Pharmakodynamik und zur Wirksamkeit beisteuern. An dieser Stelle ist es wichtig, sich die Tragweite der Unschärfe der Anforderungen im Lebensmittelbereich gegenüber den eng gefassten Anforderungen für die Arzneimittelzulassung klarzumachen: Es gibt keine expliziten Forderungen nach humanen pharmakokinetischen oder bestimmten Qualitätsanforderungen genügenden humanen pharmakodynamischen Untersuchungen. Auch wird das gesamte präklinische Entwicklungsprogramm nicht explizit gefordert (Pharmakodynamik und Pharmakokinetik im Tier, Batterie der toxikologischen Untersuchungen). Selbst die humanen Wirksamkeitsstudien zu den verschiedenen Indikationen sind nicht zwingend an ggf. vorliegende wissenschaftliche Guidelines für Arzneimittelstudien gebunden. Es gilt, eine Plausibilität der Wirkung zu zeigen. Das kann bereits von Studien geleistet werden, die bei Arzneimitteln eher als Pilotstudien charakterisiert sind. Die für Arzneimittel geforderten mindestens 2 konfirmativen, placebo-kontrollierten Doppelblindstudien mit statistisch gefasstem primären Prüfziel, auf dem auch die Fallzahlschätzung beruht, sind sicher ein eindeutigerer Wirksamkeitsnachweis, aber hier in dieser Form nicht als Voraussetzung obligat.

Teil 6 Verwendungsbedingungen und Verwendungseinschränkungen

In diesem Abschnitt hat der Hersteller die empfohlene Dosierung und das Dosierungsschema anzugeben. Es ist anzugeben, ob das Produkt einzige Nahrungsquelle, als teilweiser Ersatz von anderen Ernährungsquellen oder die Diät des Patienten ergänzen soll. Bei den meisten EbDs wird hier Letzteres anzukreuzen sein. Es sind Angaben darüber zu machen, auf welchem Wege das Produkt zu sich genommen wird (orale Aufnahme, Sondennahrung). Es sollen Gründe angegeben werden, wenn zutreffend, warum der Gebrauch des spezifischen Lebensmittels eine medizinische Aufsicht erfordert (z. B. Sondennahrung, Nebenwirkungen, Kontrolle von klinischen und/oder Laborergebnissen, Anpassung oder Unterbrechung der Therapie, andere Gründe). Ferner sollen die Personen beschrieben werden, die den Gebrauch des Lebensmittels als FSMP vermeiden sollten, einschließlich der Rationale. Es sollen zudem andere Verwendungseinschränkungen angegeben werden, falls zutreffend, und eine Rationale zur Verfügung gestellt werden.

Am Ende von jedem der 6 Abschnitte können bzw. sollen entsprechende Nachweise/Dokumente vorgelegt werden, die die dortigen Aussagen stützen.

Was auffällt ist, dass der Fokus des Dossiers einseitig auf dem Ausgleich von Nährstoffdefiziten bzw. Mangelzuständen liegt. Ein erhöhter Bedarf oder positiver Nutzen durch eine Nährstoffzufuhr auf den Krankheitsverlauf oder den Allgemeinzustand des Patienten bleibt unberücksichtigt. Der Grund dafür ist, dass das Papier von Experten aus Sicht der enteralen Ernährung (bilanzierte Diäten als Trinknahrung oder Sondennahrung) geschrieben wurde. Die Untergruppe der „EbDs“ stand hier nicht im Vordergrund.

Fazit

Die Verkehrsfähigkeit eines Produkts als FSMP (EbD) bleibt nach dem „neuen Diätrecht“ grundsätzlich bestehen. Allerdings stellt die Bereitstellung eines Dossiers (nach der neuen EFSA-Leitlinie) eine wesentliche Neuerung dar. Sie wird vermutlich ab 2019 generell für die Anmeldung in Deutschland Pflicht. In Fällen einer Auslegungsentscheidung der EU-Kommission ist ein solches Dossier schon seit dem 20.07.2016 vorzulegen! Das auf der EFSA-Leitlinie basierende Dossier für FSMPs setzt dabei einen „Standard“, der sich auch bei Behörden etablieren dürfte.

Das Erstellen eines Dossiers kann zwar bei vielen EbDs zu technischen Problemen führen, weil die Fragestellungen eher auf die klassischen bilanzierten Diäten ausgerichtet wurden. Auf der anderen Seite sollte es aber möglich sein, an diesen Stellen darauf auch hinzuweisen und die Gründe, warum diese Fragestellungen hier nicht für das spezielle Produkt passen, entsprechend anzugeben. Das Dossier zwingt ein Unternehmen dazu, sich kritisch mit seinem Produkt auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob und wie die gesetzlichen Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit von FSMP und insbesondere EbD erfüllt werden. Wichtig erscheint, ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, das vorgeschlagene Anwendungsgebiet, die Patientengruppe und den diätetischen Nutzen (das diätetische Management) sorgfältig vor Erstellung eines Dossiers festzulegen um dieses in sich stimmig beantworten zu können. Es besteht die Erwartung, dass die angekündigten Leitlinien der EU-Kommission (das BMEL arbeitet hieran mit), ein erwartetes Statement der Expertenkommission von BfArM und BVL und von Verbänden mehr Klarheit für entsprechende Auslegungen eines solchen Dossiers liefern werden.

Unternehmen, die EbDs vermarkten, werden in jedem Fall nicht darum herumkommen, sich selbst über die Beschäftigung mit einem Dossier nach der EFSA-Leitlinie mit ihrem speziellen Produkt auseinanderzusetzen.

Korrespondenz

Axel Turowski
Diapharm GmbH & Co. KG
Hafenweg 18-20
48155 Münster (Germany)

Literatur

[1] Hahn, Ströhle, Wolters, Ernährung, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005

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